Schluss mit der Scham!

Geschrieben von Luiza Philipp

Illustrationen: Helena Burkhardt

…Und warum wir nie wieder das Wort Schamlippen in den Mund nehmen sollten.


Der deutsche Duden beschreibt Scham mit diesen Worten: „durch das Bewusstsein, (besonders in moralischer Hinsicht) versagt zu haben, durch das Gefühl, sich eine Blöße gegeben zu haben, ausgelöste quälende Empfindung“. Wer sich schämt, der trägt ein Unbehagen, eine Schande mit sich. Wer Scham empfindet, fühlt sich schlecht und hat negative Gefühle und Gedanken. Warum ist dann dieses Wort das Präfix unseres intimsten Organes?

Dass Männer masturbieren und ihr Geschlecht voller Stolz tragen, scheint für unsere Gesellschaft völlig normal zu sein. Mütter sagen „Ach wie süß!“, wenn ihr kleiner Sohn beginnt an seinem Pipimann herumzuspielen. Bei Mädchen ist das anders. Hier wird gesagt: „Fass dich da unten nicht an. Das macht eine Dame nicht“. Wieso da unten? Wo soll das sein, dieses "da unten"? Und wieso soll ein Mädchen sich nicht genauso anfassen und kennenlernen dürfen, wie ein Junge? Mit diesem Verhalten wird der Grundstein gelegt, dass die Berührung des eigenen Geschlechtsteiles und Masturbation bei Frauen zu einem Tabu werden. Wenn Männer One-Night-Stands haben, gelten sie als  Frauenhelden. Frauen hingegen werden schnell mal als Flittchen abgestempelt. Ich könnte mit solchen Beispielen immer weiter machen, aber ich denke du weißt, worauf ich hinaus möchte. Der männliche Intimbereich ist positiv konnotiert. Wie diese Sprichwörter zeigen: „Eier haben“ oder im Englischen „to have some balls“. Leider ist der Intimbereich von Frauen eher negativ besetzt und das verdeutlichen Sprüche wie „don’t be a pussy“ oder das Wort Schamlippen. Warum also müssen wir Frauen uns für unsere Weiblichkeit schämen? Unsere Vulvalippen sind Teil unserer Sinnlichkeit und Sexualität und sollten in keinem Fall versteckt werden oder gar Scham in uns auslösen.

Mit den Worten "fass dich da unten nicht an" wird die Scham und das Tabu bereits in der frühesten Kindheit in die Frau transportiert. Liebe Mütter, hier könnt ihr alle den Unterschied machen. Fangt an, ganz normal mit eurem weiblichen Körperteil umzugehen. Nimmt euch einen Spiegel und schaut euch mal euer Geschlechtsteil genauer an. Informiert eure Töchter darüber, bringt ihnen bei, was die Vulva ist und wie komplex dieses Organ aufgebaut ist. Drückt ihnen einen Spiegel in die Hand, damit sie sich kennenlernen können und gebt ihnen das Gefühl, dass daran nichts falsches oder schambehaftetes ist. Denn Sprache hat einen großen Einfluss auf unsere wahrgenommene Realität. Du kannst dir sicherlich vorstellen, wenn Frauen über Jahrhunderte hören, dass ihr Intimbereich voller Scham, Unbehagen, Unrein ist, dann wirkt sich das auf ihr Selbstwertgefühl und ihr Sexualleben aus. Immer noch trauen sich viele Frauen nicht ihre Vorlieben offen zu kommunizieren, sie schämen sich aktiv danach zu fragen, ob ihre Partner/in ihr die Vulvalippen küsst und täuschen Orgasmen vor, um ihrer Partner/in zu gefallen. Umso wichtiger, dass wir aufhören immer negative Wörter zu verwenden. Wenn wir Frauen uns für unser Lustorgan schämen, wie sollen wir damit etwas wie Lust, Freude oder Sinnlichkeit verbinden?  

Damit sollte endlich Schluss sein! Ein positives Verhältnis zur eigenen Sexualität und unserem Körper bedeutet am Anfang erstmal eine Umstellung, aber eines ist ganz leicht: Lasst uns nie wieder das Wort Schamlippen in den Mund nehmen! Denn sowohl die Sexualität der Frau als auch die Vulvalippen haben absolut nichts mit Scham, Tabu oder Unbehagen zu tun. Rein biologisch gesehen haben wir zwei äußere und zwei innere Vulvalippen, lateinisch „Labia“ genannt. Die äußeren Vulvalippen, „Labia majora“, bestehen aus Fettgeweben und schützen die Vagina. Die zwei inneren Vulvalippen, „Labia minora“ sind meist kleiner als die äußeren. Die inneren Labien werden bei manchen Frauen von den äußeren verdeckt oder sind oft auch sichtbar. Sie sorgen dafür, dass keine Bakterien in die Scheide oder Harnröhre gelangen. Bei sexueller Erregung werden die Labia minora stärker durchblutet, sie werden dunkler und schwellen an.

Modernere Begriffe für Labien sind neben Vulvalippe auch Venuslippe, der von der römischen Liebesgöttin Venus abgeleitet wurde. Welchen Begriff findest du passender oder hast du gar einen besseren Vorschlag?

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